UNBEANTWORTET ?
FRAGEN
Welt, Mensch, Gott – aber was ist alles Welt, wer und was ist der Mensch,
ist Gott überhaupt und kann ich mich zu diesem offenen Geheimnis hin
öffnen? Wer, was und warum bin ich? Warum all die Dualitäten,
Widersprüche, Unsinnigkeiten? Ist alles und wie ist alles von und zu einer
Einheit hin bedingt? Fragen, die keine abschließende Antwort finden
können, und doch für uns Menschen von grundlegender, unseren
Seins-Grund bestimmender Bedeutung sind. Vor allem versuche ich
zu erkunden, welche Beziehungen und Bewegungen zwischen den
Grundkategorien bestehen und welche Gestalten sich daraus ableiten? Mit
diesen Fragen eröffnen sich für mich immer neue Horizonte, die ich in den
Blick nehme. Immer wieder versuche ich, das sich zu mir Öffnende, das
was ich empfinde und erlebe, das was sich mir zeigt und mir einsichtig
erscheint in einen großen Zusammenhang, in eine gültige Form zu bringen.
Es ist dies mein jahrzehntelanges Bemühen das mich begleitet. Immer
wieder prüfe ich, ob es dem Erfahrenen, Empfundenen, Gedachten noch
Stand hält. Ich lebe in der Hoffnung, dass es mir in Maßen gelungen ist
eine Systematik, einen Zusammenhang zu finden, dass so viel an Gerüst
aufrichtet, dass es das Ganze des Seins zu umfassen vermag und doch so
viel Freiheit lässt um nicht zu erstarren.
Durchbrechen des Zirkels ?
„Alles philosophische Totalwissen in einer objektiven Metaphysik muß sich
in einem Zirkel bewegen. Die Qualität des Zirkels macht den Gehalt aus.
. . . Ein winziger Teil der Welt erkennt die gesamte Welt, die ihn
hervorbringt; das Gehirn als Materie birgt die Welt in sich, aus der er
entstanden ist. Oder ist vielmehr ein anderer Ursprung wirksam, der
diesen Zirkel als materiellen voraussetzt, aber als solchen durchbricht?“
Karl Jaspers - Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung -
1962, S. 28
Keine Antworten ?
Spruch aus dem Mittelalter:
Ich komme, ich weiß nicht woher,
Ich bin, ich weiß nicht wer,
Ich sterb, ich weiß nicht wann,
Ich geh, ich weiß nicht wohin,
Mich wundert‘s, daß ich fröhlich bin.
Zitiert nach Karl Jaspers - Der philosophische Glaube angesichts
der Offenbarung - 1962, S. 29
Jaspers ergänzt:
Der Spruch ist nicht „christlich“. Denn der Offenbarungsglaube
gibt auf alles eine Antwort. Er lebt aus den herrlichen Verheißungen
und würde vielleicht seine Antwort schließen: mich wundert‘s,
daß ich traurig bin.
Anrufungen
Die Ismaninger Pestsäule (auch Steinerne Säule)
Sie wurde 1818 von Eugène Beauharnais, dem damaligen Besitzer
des Schlosses in Ismaning errichtet.
Die ursprüngliche Steinsäule wurde später um ein Kreuz und eine
Madonnenfigur ergänzt. Auf dem Kreuz ist folgende Inschrift angebracht:
Ich lebe und weiß nicht wie lang.
Ich sterbe und weiß nicht wann.
ich fahre und weiß nicht wohin.
mich wundert's nur, daß ich so fröhlich bin.
Das Sterben hat eine harte Reis'.
weil man den Weg nicht weiß.
So ruft man Maria, Josef und Jesus an.
damit man den rechten Weg finden kann.
Wer nimmt mich an
wie ich bin?
Das Ich des Kindes „erwacht an der Erfahrung des Du: am Lächeln der
Mutter, durch das es erfährt, daß es in einem unfaßlich-Umgebenden, Schon-
Wirklichen, Bergenden und Nährenden eingelassen, bejaht, geliebt wird. Der
Körper, an den es sich schmiegt, ein weiches, warmes und nährendes Kissen,
ist ein Kissen der Liebe, worin es sich bergen kann, weil es darin immer
schon geborgen worden ist. Der Augenaufschlag seines Bewußtseins ist
etwas Spätes, verglichen mit diesem unabsehbarvoraus-liegenden
Abgrundgeheimnis. Es sieht nur endlich, was da immer schon war, und kann
es deshalb nur bestätigen. Ein immer schon schlafendes Licht erwacht
irgendeinmal zu einem wachen, sich selber erkennenden Licht. Erwacht aber
an der Liebe des Du, wie es immer schon im Schoß und am Busen des Du
geschlafen hat. Die Erfahrung des Eingelassenseins in ein bergend-
Umgreifendes ist für alles kommende, wachsende und erwachsene
Bewußtsein unüberholbar. Deshalb ist es richtig, daß das Kind zuerst in
seiner Mutter, seinen Eltern das Absolute. . . und erst in einem zweiten und
dritten Schritt lernen muß, die Liebe Gottes von der erfahrenen Liebe zu
unterscheiden. Erwachen kann es nur im Paradies oder in dem, was Platon
als Himmel der Ideenschau schilderte. Weil es das Sein und Dasein (warum
sollte es beides unterscheiden) als unfaßliches Licht der Gnade erfährt,
darum spielt es. . . .Es spielt, weil das Eingelassensein das Allererste ist, was
es im Reich des Seins erfährt. Es ist, sofern es als ein Geliebtes dabei sein
darf. Dasein ist sowohl herrlich wie selbstverständlich. Alles, restlos alles,
was später hinzutreten mag und unweigerlich dazukommen wird, muß
Explikation dieser ersten Erfahrung bleiben. Es gibt keinen «Lebensernst»,
der diesen Anfang grundsätzlich überholte. Es gibt kein «in-Verwaltung-
Nehmen» der Existenz, die es weiterbrächte als die erste Erfahrung von
Wunder und Spiel. Es gibt keine Begegnung - mit Freund oder Feind oder
Milliarden Gleichgültiger die etwas hinzufügen dürfte über die Begegnung
mit dem ersten verstandenen Lächeln der Mutter. «Wenn ihr nicht werdet
wie die Kinder, könnt ihr nicht in das Himmelreich eingehen.“
Hans Urs von Balthasar - Herrlichkeit - Band III,I - S. 945/946
UNAUFLÖSLICH ?
Wir sind vorgängig, ganzheitlich in der Welt. Eine Zersplitterung von
Denken, Empfinden, Tun und Lassen unterliegt der Gefahr, das was uns
existenziell Herausfordert zu verfehlen. Denken als eigenständige innere
Substanz (res cogitans) und das körperliche Empfinden und Tun (res
extensa) stehen in einem so engen Zusammenhang, dass die
Überbetonung des einen, das Ganze - und damit die Mitte meines
menschliches Daseins - verfehlt.